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Max und Moritz lernen Englisch

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Als ich im vorigen Jahr daran ging, den deutschen Kinderbuchklassiker Max und Moritz (zum 150. Jubiläum) auf neue, zeitgemäße Art ins Englische zu übersetzen, war die erste und nächstliegende Frage die, ob die Paarreime des Originaltext von Wilhelm Busch beibehalten werden sollten.

Alle, die schon einmal etwas übersetzt haben, werden verstehen, wie viel schwieriger diese Aufgabe wird, wenn der fertige Text nicht nur das Original inhaltlich richtig wiedergeben, sondern sich auch noch reimen soll.
Max_und_Moritz
Trotzdem schien mir, dass die Paarreime von Max und Moritz entscheidend zum dunklen Humor der Geschichte beitragen. Sie erzeugen mit ihrer Rhythmik eine ungemein komische Wirkung, treiben den Leser durch den Text und bringen ihn unterwegs immer wieder zum Kichern.

Gleichzeitig kannte ich mehrere frühere Übersetzungen, denen die Absicht, eine möglichst wortgetreue Wiedergabe des deutschen Originals in englische Reime zu zwingen, anscheinend nicht gut bekommen war.

Sehen Sie sich etwa die beiden folgenden Versuche an. Sie entstammen zwei verschiedenen Übersetzungen des Vorworts:

Beispiel 1Beispiel 2
Ach, was muß man oft von bösen
Kindern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Max und Moritz hießen.
[…] – Ja, zur Übeltätigkeit,
Ja, dazu ist man bereit! –
Ah, how oft we read or hear of
Boys we almost stand in fear of!
For example, take these stories
Of two youths, named Max and Moritz
[…] Look now at the empty head: he
Is for mischief always ready…

(Übersetzung: Charles T. Brooks)

Ach, was muß man oft von bösen
Kindern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Max und Moritz hießen.
How often one must read or hear
Of children, who should be so dear,
But are as naughty as can be
And practice [sic] darkest deviltry…

(Übersetzung: H. Arthur Klein)

Ich bin überzeugt, dass Max und Moritz in der englischsprachigen Welt auch deshalb viel weniger bekannt ist als in der deutschsprachigen, weil so viele Übersetzer dazu tendierten, dem Wortlaut des Deutschen sklavisch genau zu folgen – und dafür die sprachliche Flüssigkeit zu opfern, die Buschs Original auszeichnet.

In meiner eigenen Fassung habe ich versucht, stilistisch etwas lockerer heranzugehen. Ich wollte den Witz und die Energie des deutschen Originals vermitteln – hoffentlich, ohne mich allzu weit von der Quelle zu entfernen.


Ach, was muß man oft von bösen
Kindern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
Welche Max und Moritz hießen.
Die, anstatt durch weise Lehren
Sich zum Guten zu bekehren,
Oftmals noch darüber lachten
Und sich heimlich lustig machten. –
– Ja, zur Übeltätigkeit,
Ja, dazu ist man bereit! –
— Menschen necken, Tiere quälen,
Äpfel, Birnen, Zwetschgen stehlen –
Das ist freilich angenehmer
Und dazu auch viel bequemer,
Als in Kirche oder Schule
Festzusitzen auf dem Stuhle.
Many stories have been told
Of children who were good as gold,
But these boys played much darker games:
Max and Moritz were their names.
Instead of trying to be good,
(As all young children really should)
They laughed at those who stuck to rules,
Giggling like two cackling fools:
„Playing tricks on everyone,
That’s the way to make life fun!
Catching people unawares,
Stealing apples, plums and pears.
That’s the way we spend our time,
With clever pranks and daring crime.
We can’t see much point at all
In wasting time at church or school!“

Im ersten Reimpaar wird die Perspektive umgekehrt: Das deutsche Original spricht von „all den bösen Kindern, von denen wir hören müssen – wie zum Beispiel diese beiden“. Die Übersetzung beginnt dagegen mit „all den guten Kindern, die wir in der Literatur antreffen – aber hier sind zwei Ausnahmen“. Damit erlaube ich mir zwar vielleicht eine gewisse Freiheit gegenüber der Formulierung von Busch. Aber das ermöglicht es mir, die Übersetzung mit einem Reim zu beginnen, der hoffentlich viel natürlicher klingt als diejenigen, die sich starrer an den Wortlaut des Originals von 1865 halten.

341px-Max_und_Moritz_(Busch)_021Ich konnte die Übersetzung letztlich ohne übermäßig viele auffällige Abweichungen von Buschs Ursprungstext fertigstellen. Manchmal habe ich die Abfolge der Erzählung leicht geändert oder das Gewicht eher auf die allgemeine Kernaussage von Buschs Text gelegt, statt zu versuchen, für jedes Wort und jede Wendung eine englische Entsprechung zu finden.

An einigen sehr wenigen Stellen habe ich Änderungen am Text vorgenommen, um ihn für Leser von heute besser verständlich zu machen – vor allem für die jüngeren, die mit „Gamaschen“, „Tintenfässern“ und älteren Verwandten, die nach einer großen Prise Schnupftabak heftig niesen, vermutlich nicht viel anfangen können.

Zudem habe ich mir die Freiheit genommen, die Namen einiger Figuren zu ändern. Die Witwe Bolte wird zur Widow Palmer („A kind and gentle lady farmer“), und Lehrer Lämpel und Schneider Böck verlieren die Umlaute in ihren Nachnamen. Nach einigem Hin- und Herüberlegen habe ich auch den „Onkel Fritz“ zu „Grandpa Fritz“ altern lassen, weil mir schien, dass die Kinder von heute einen Onkel nicht mehr als ältere, autoritäre Figur ansehen wie vielleicht zu Buschs Zeiten. (Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken, nachdem ich jetzt selbst Onkel bin…)

Max_and_MoritzNur eine einzige Stelle habe ich bewusst verändert, weil sie nach dem Empfinden unserer Zeit deutlich unangemessen ist – dort wo der frömmelnde Lehrer Lämpel mit knapper Not der Explosion des Schießpulvers entkommt, das die Jungs in seine Pfeife gestopft haben. „Nase, Hand, Gesicht und Ohren / Sind so schwarz als wie die Mohren“ – das ist zwar eine literarische Reminiszenz an Othello, wirkt aber ansonsten zu veraltet, um es unbedingt beizubehalten. Stattdessen entschied ich mich für eine weniger grelle Variante: „Ear to ear and head to foot / His skin is scorched as black as soot“ („Von Ohr zu Ohr und Kopf bis Fuß / Ist seine Haut so schwarz wie Ruß“).

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Wie es schon bei vielen früheren Übersetzungen von Max und Moritz geschehen ist, habe ich auch bei meiner Fassung das deutsche Original als Paralleltext eingeschlossen. Leser, die beide Sprachen sprechen, erhalten dadurch hoffentlich einen zusätzlichen Gewinn, weil sie die Stellen im Text ausfindig können, wo ich diese kleinen „Änderungen“ vorgenommen habe. So können sie selbst beurteilen, ob dieser „lockerere“ Ansatz paradoxerweise geholfen hat, den anarchischen Witz und das Chaos von Buschs zeitlosem Klassiker in der fertigen Übersetzung zumindest dem Geist nach besser zur Geltung zu bringen.


Mark Ledsoms englische Übersetzung von Max und Moritz aus Anlass des 150. Jubiläums ist bei Amazon als gedrucktes Buch und als E-Book erhältlich.

Übersetzung: Anselm Bühling

Bilder:
Foto der Londoner Tower Bridge von David Iliff. Lizenz: CC-BY-SA 3.0 (via Wikimedia Commons).
Abbildungen aus Max und Moritz: Gemeinfrei (via Wikimedia Commons).

Angaben zum Buch
Wilhelm Busch
Max & Moritz: A tale of two rascals – in seven pranks
Translated by Mark Ledsom
CreateSpace Independent Publishing Platform • 116 Seiten
ISBN: 978-1519156211

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