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Skepsis und Transzendenz

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Letzter Messetag, Blaues Sofa, Barbara Wahlster im Gespräch mit Dževad Karahasan – einem bosnischen Schriftsteller, der am liebsten immer noch ein jugoslawischer Schriftsteller wäre.

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Anderthalb Jahrtausende umspannt sein neuer Roman Der Trost des Nachthimmels: vom 16. Schaban 496 in Isfahan bis zum 9. November 2008 in Bergen (Norwegen). Es geht um Macht, Spionage, Religion, Fanatismus und die Frage, ob wir Menschen freie Wesen seien, so Barbara Wahlster in der Einführung.

Die halbe Stunde auf dem Blauen Sofa war eine halbe Stunde der Aphorismen. Ich habe ein paar herausgepflückt.

Das ganze Gespräch kann man hier nachhören, hier gibt es ein Autoren-Inverview zum Buch.

 

Fundamentalismus

„Fundamentalisten überschütten uns mit Antworten auf alle Fragen, die wir nicht gestellt hatten. Wann sind Sie zum letzten Mal einem Menschen begegnet, der eine Frage für sich hatte?“

 

Macht

Der Sektenführer Hassan i-Sabah hat im Roman etwas begriffen.

„Wenn du wirklich herrschen willst und nicht nur verwalten, musst du die Träume, Projektionen, Ängste deiner Bürger ansprechen, nicht ihre Bedürfnisse.“

 

Liebe

Der kluge Abu Said muss von seiner Überzeugung abrücken, dass es zwischen zwei Menschen, die sich lieben, keine Geheimnisse geben dürfe.

„Der Andere muss für immer und ewig der Andere bleiben.“

Das ist kein neuer Gedanke. Aber Dževad Karahasan formuliert ihn neu:

„Nur eine mystische Liebe könnte vielleicht am Ende in einem endgültigen Orgasmus, wenn beide gleichzeitig sterben, alle Geheimnisse ausräumen.“

 

Zeit

„Ich muss mich zwischen dem Jetzt und der Ewigkeit zurechtfinden. Wir haben nur diese Gegenwart, im Hier und Jetzt. Aber Platon ist da, irgendwo, und Empedokles flüstert mir etwas zu.“

 

Utopien

„Das Leben ist erträglich, solange wir im Stande sind, an Utopien zu glauben, nach einer Wahrheit zu suchen, von der Liebe zu träumen.“

Auch die Kunst gehört zu der Sphäre des Utopischen.

Das erinnert mich an einen Gedanken von William H. Gass: Literatur mache den Menschen nicht besser, sie mache nur das Leben erträglicher.

Man könnte auch sagen: Sie macht das Leben schöner.

(Bilder: Sieglinde Geisel)


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